This call in english
Europa ist nicht deine Freundin
Die EU wird oft unterschätzt – auch in der radikalen Linken. Dabei
werden auf EU-Ebene weitreichende Entscheidungen getroffen, die jeden
auch nur in Ansätzen kritisch denkenden Menschen auf die Barrikaden
treiben müssten. Der menschenverachtende Kampf gegen unerwünschte
Migration wird ebenso auf europäischer Ebene organisiert wie
Verbrechensbekämpfung oder militärische Katastrophenhilfe. An Kritik
daran mangelt es bislang. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex
ist inzwischen vielen ein Begriff und auch die “Ungehorsamkeit” des
EU-Parlaments beim SWIFT-Abkommen ist vielleicht mittlerweile bekannt. Aber nur die wenigsten Menschen haben schon einmal etwas von INDECT
oder EuroDac gehört. Was ist das Stockholm-Programm? Und warum sind
auch langhaarige Softwareentwickler Teil der Rüstungsindustrie?
Wenn wieder einmal ein Gesetz, wie jüngst die Vorratsdatenspeicherung
breit kritisiert oder sogar für in dieser Form nicht mit dem
Grundgesetz kompatibel erklärt wird, ist der Verweis auf die EU oft
immanent. Die Richtlinien kämen aus Brüssel und müssten nun national
umgesetzt werden. Es ist also durchaus sinnvoll und folgerichtig, sich
die Politik der EU genauer anzusehen. Neben ihrer
neoliberal-neokolonialen Wirtschaftspolitik betreibt sie auch –
weitgehend unbeachtet – einen massiven Ausbau der inneren und äußeren
Sicherheit, um auch weiterhin ganz vorne mitspielen zu können:
geostrategisch und ökonomisch, in Bezug auf Energie und Rohstoffe
einerseits sowie auf sogenanntes “geistiges Eigentum” andererseits.
Know your enemy
Das Stockholmer Programm ist Ausdruck der Vorwärtsverrechtlichung und
technischen Aufrüstung der EU. Es ist ein Fünf-Jahres-Plan gegen die
Freiheit. Das Programm sieht unter anderem vor, dass Frontex seine
eigene Infrastruktur bekommen soll. Neben der Ausrüstung, die
Deutschland, Italien, Griechenland und andere den Grenzschützern zur
Verfügung stellen, um damit Flüchtlinge zu jagen, soll diese Truppe
also möglichst schnell eigene Boote, Drohnen, Helikopter und sonstiges
Kriegsgerät erhalten. Und auch innerhalb der europäischen Grenzen wird
kräftig aufgerüstet. Im Rahmen des INDECT
Projekts wird die Strafverfolgung auf ein neues Level gehievt:
Softwarebasierte Gefahrenanalysen sollen möglichst Verbrechen schon
erkennen lassen, bevor sie begangen werden. Was wie Science Fiction
klingt, wird als „predictive analytics“ bezeichnet und ist derzeit der
Renner im Bereich der sogenannten Sicherheitsforschung. Für das INDECT
Projekt sollen sämtliche verfügbaren Daten herangezogen werden, die
irgendeinen Erkenntnisgewinn versprechen. Das beinhaltet unter anderem
Aufnahmen von Verkehrs- und Überwachungskameras, Aktivitäten in Social
Networks, Bankgeschäfte, Kundenprofile und selbstverständlich Daten,
die Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdienste schon haben. Um diese
Daten nutzen zu können, wird auf neue komplexe Software
zurückgegriffen, die mit unterschiedlichen Datenarten umgehen kann. Die
gesamte Palette der Sicherheitspolitik dient dazu, die Gesellschaft in
der EU zu kontrollieren und möglichst effizient als Lohnsklaven
auszubeuten.
Die europäische Sicherheitsarchitektur schwebt aber nicht im luftleeren
Raum, sondern wird von konkreten Akteuren getragen: Von Rüstungsfirmen
– und dazu gehören insbesondere auch Softwarehersteller, Universitäten
und Forschungseinrichtungen – die sich mit Innovationen im Bereich der
Sicherheit und deren Infrastruktur Lorbeeren und jede Menge Geld
verdienen wollen. Dass Deutschland bei den größten Schweinereien
innerhalb der EU immer ganz vorne mit dabei ist überrascht ohnehin
nicht.
Gerade jetzt im Angesicht multipler Krisen bestehen Ängste, die
Kontrolle über die Bevölkerung zu verlieren. Da der Kapitalismus aber
weiterhin nicht ohne Krisen funktionieren wird und die dabei
entstehenden Kosten auch in Zukunft nicht von der herrschenden Klasse,
und schon gar nicht von der in Europa gezahlt werden wollen, wird
sicherheitstechnisch aufgerüstet.
…und Action!
Wir wollen mit unserer EU-kritischen Kettenkundgebung einige
Knotenpunkte im Netz der europäischen Sicherheitsarchitektur aufzeigen
und deren Akteure aus der Anonymität holen. Europa wurde viel zu lange
als Gegenstand radikaler Kritik vernachlässigt. Unserer internationalen
Analyse wollen wir mit lokalen Aktionen Taten folgen lassen. Gegen ihre
Kritische Infrastruktur unsere Kritische Masse – gegen ihren proaktiven
Ansatz unseren aktiven Kontrollverlust. Mit dem Fahrrad werden wir uns
auf den Weg machen um kurz vor dem 1. Mai den Akteuren des
Polizeikongresses, der Kriegsproduktion und der Politik noch einmal
einen Besuch abzustatten. Denn ihr Krieg ist der Krieg gegen uns,
deshalb:
Mobilmachung gegen die Europäische Union!
29.04.2010
16:30 | Vertretung der Europäischen Komission | U-Bahn-Station Brandenburger Tor
18:00 | SAP | Weinmeisterstraße/Rosenthaler Str.
19:00 | EADS | Potsdamer Platz
Out of Control Berlin